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Der irre Rausch der Zukunft

Chris Anderson interviewt Elon Musk bei der Ted Conference in Vancouver. (Foto: Bret Hartman/TED)

Für Nobelpreisträger und Raketenbauer ist die alljährliche Ted Conference in Vancouver das ideale Forum. Aber arbeiten die Vordenker der Welt in einer Blase?

Von Andrian Kreye, Süddeutsche Zeitung, 6./7. Mai 2017

Wenn der Superhyper- unternehmer Elon Musk mit normalen Menschen spricht, also mit Leuten, die sich in den Feinheiten der Energietechnologien, der Raumfahrt oder der künstlichen Intelligenz nicht mindestens auf Diplomingenieursniveau auskennen, ertappt er sich manchmal selbst, wie irre das alles klingt. Dann weicht sein leicht entrückter Blick kurz einem selbstironischen Lächeln. Wobei das bei ihm alles gar nicht so Silicon-Valley-Größenwahn-irre ist, eher so Daniel-Düsentrieb-verrückt. Denn Elon Musk will zwar gleichzeitig die weltweite Energiewende erzwingen, die Menschheit auf dem Mars ansiedeln und nebenbei noch den Verkehrskollaps der Metropolen lösen. Er hat aber auch die Beweise parat, die zeigen, dass er da jeweils schon auf gutem Wege ist.

Bei der diesjährigen Ted Conference in Vancouver ertappte Musk sich beim Bühnengespräch mit Ted-Chef Chris Anderson gleich ein paar Male. Als er zum Beispiel nach dem Bild des selbstfahrenden Elektro-Sattelschleppers aus seinem Hause Tesla den Plan einer wiederverwendbaren Weltraumrakete zeigte, welche das Passagier- und Ladegut eines Jumbojets transportieren kann, und ihn Anderson fragte, wann dieses Wahnsinnsprojekt denn einsatzbereit sein sollte. „Unser offizielles Ziel sind acht bis zehn Jahre“, sagte Musk. „Unsere internen Ziele sind allerdings etwas aggressiver.“ Da musste nicht nur das Publikum lachen. Wobei dazukam, dass Elon Musk im Saal der Überflieger unter den Überfliegern war. Wenn man sich umsah, fand man Menschen, die Tropenkrankheiten ausgerottet, Nobelpreise gewonnen, die Filmgeschichte revolutioniert oder ein paar Milliarden Menschen zu ihren Kunden gemacht haben. Die muss man erst mal beeindrucken.

Die Weltfremdheit jenes Kosmos, den normale Menschen gemeinhin als Silicon Valley bezeichnen

Chris Anderson inszeniert das Ideenfestival für die Wissenschafts-, Technologie- und Finanzelite seit nun 16 Jahren als Zukunftsrausch. Der verbreitet sich in den vielen Verästelungen seiner Organisation über die Ted-Talk-Videos, Bücher, Förderprogramme und Franchise-Veranstaltungen inzwischen weltweit.

Ein kurzer Querschnitt durch die Vorträge in diesem Jahr, für die jeder Redner auf der Bühne vor den circa 1800 Überfliegern 18 Minuten Zeit bekommt: Kann man Robotern die kollektive Intelligenz von Fischschwärmen beibringen? Hat Radikha Nagpal in Harvard getan. Gibt es eine Impfung gegen Depressionen? Hat die Neurowissenschaftlerin Rebecca Brachman entwickelt. Kann man verhindern, dass sich künstliche Intelligenzen gegen die Menschheit verschwören? Wird längst getan, sagte Siri-Erfinder Tom Gruber. Kann man den Klimawandel mit Ingenieurskunst bremsen? Ist nicht populär, aber in Arbeit, verkündete der Mathematiker Danny Hillis. Kann man Computer mit Gedanken steuern? Auch das konstruiert Elon Musk gerade, auch wenn er an diesem Vormittag darüber genauso wenig sprach wie über seine eigenen Pläne, künstliche Intelligenz im Zaum zu halten. Die Zeit reichte nicht. Er wollte lieber das Tunnelsystem vorstellen, das die Staukatastrophe von Los Angeles beenden soll.

Womit man auch schon bei einem Grundproblem des Zukunftsrausches ist und bei der Rolle, die die Ted Conference immer deutlicher spielt. Die persönliche Blase, in der Elon Musk lebt, und sein Tunnelsystem stehen nämlich exemplarisch für die Weltfremdheit jenes Kosmos, den normale Menschen gemeinhin als Silicon Valley bezeichnen, auch wenn da längst Los Angeles, Seattle, Tel Aviv, Seoul und München dazugehören.