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Ein Interview mit Alexander Stoeckel und Prof. Dr. Dietmar Grichnik über Corporate Venture Capital (CVC) und die Auswirkungen der Coronakriese auf die CVC Branche.
Dietmar: Lieber Alex, ein Jahr nach Corona – Rückblick und Ausblick, wie hast du diese Zeit erlebt aus der Sicht eines Corporate-Venture-Capitalists mit Hinblick auf die Entwicklung von Startups aber auch deiner VC-Branche?
Alexander: Einen statistisch belastbaren Überblick habe ich nicht. Aber was intuitiv zu ewarten war, haben wir dann m.E. auch gesehen, d.h. Startups, die ein festes Budget hatten, z.B. für Technologieentwicklungen, und vor der Krise noch nicht an Umsätze gebunden waren, sind in der Krise «vergleichsweise» besser unterwegs gewesen. Der Grund ist, dass das Budget oftmals für zwei Jahre ausgelegt werden. Trotzdem hatten auch diese Startups mit Schwierigkeiten zu kämpfen, z.B. in der Supply Chain. Startups, die bereits vor der Pandemie Produkte oder Dienstleistungen verkauften und auch auf diese Umsätze angewiesen waren, um das Working Capital im Unternehmen zu stemmen, kamen schneller in Schwierigkeiten.
Im Corporate-Venture-Capital-Bereich (CVC) ist es etwas ähnlich. Diejenigen CVCs, die ein festes Fondsvolumen haben, sind relativ sicher. Natürlich muss hier beachtet werden, wie lange die Krise dauert, wann der Fonds ausläuft usw. Diejenigen CVC Teams, die primär ad-hoc Investments gemacht haben, also ohne dedizierten Fonds arbeiten, haben ihre Investitionen im Angesicht der Krise vermutlich mehr zurückgefahren. Insbesondere weil die Unternehmensführung in Krisensituationen anführt: «CVC ist zwar wichtig, lass uns aber vorsichtshalber lieber auf Beobachtungsmodus statt Investitionsmodus schalten.» Venture Capital ist für Unternehmen nicht zentral. Obwohl Innovation einen wichtigen Stellenwert hat, ist der Erhalt des Unternehmens und der Mitarbeitenden wichtiger. Dies gilt besonders für KMUs. Bei Grosskonzernen ist es etwas anders, da sie grössere Liquiditätspolster und Spielräume haben. Zudem kommt es darauf an, was für ein Grosskonzern es ist und wie stark der Konzern selbst von der Krise betroffen sind.
Dietmar: Ab welcher Unternehmensgrösse macht das Thema CVC denn überhaupt Sinn?
Alexander: Eine Generalisierung ist schwer. Meines Erachtens sollte jedes Unternehmen die Startup-Szene im Auge behalten. Der Fokus sollte auf technologische Innovationen und Verbesserungen im eigenen Geschäftsbereich gelegt werden, nicht auf spekultive Investments in anderen Bereichen, in denen das investierende Unternehmen nicht zuhause ist. Ob gleich eine eigene CVC-Abteilung mit eigenem Fonds-Volumen geschaffen wird (was die fortgeschrittenste Lösung ist) oder ob z.B. die Abteilung Corporate Finance den CVC-Bereich etwas systematischer abbildet oder ob bei noch kleineren Unternehmen CVC als Innovations-Aufgabe in der Geschäftsleitung geführt wird oder, als kleinste Lösung, eine einzelne Person der Geschäftsleitung sich mit diesem Thema auseinandersetzt, das muss individuell von den Unternehmen beurteilt und entschieden werden. Es muss sicher nicht immer ein eigener voll ausgestatteter CVC sein. Es gibt verschiedene andere Möglichkeiten rund um das Thema Startup-Innovation. Zum Beispiel können kleinere Unternehmen mit Inkubatoren, mit Acceleratoren oder mit Universitäten systematisch zusammen arbeiten. Wichtig ist, dass in modernen und langfristig denkenden Unternehmen auf Innovationen und neue Technologien geachtet werden muss. Innovationsinvestments sollten nicht zyklisch sein, sondern fester Bestandteil der Finanzplanung jedes Jahres. Dies, um fortlaufend zu beobachten, wo es Entwicklungspotenziale und neue Chancen für das eigene Unternehmen gibt.
Dietmar: Wie kommt ihr als Philip Morris International (PMI) an die Startups ran? Ist es ein Vorteil als grosses Corporate oder ein Nachteil gegenüber den privaten VCs?
Alexander: Als strategisch agierender CVC versuchen wir gar nicht mit den privaten VCs in den Wettbewerb zu treten, weil wir ohnehin ganz anders funktionieren. Zudem haben wir andere Ziele, die wir mit den Startups erreichen wollen. Private VCs können in sehr kurzen Zeiträumen Entscheidungen treffen, dies dank wenigen entscheidungsbefugten Personen. Im Portfoliomanagement haben sie häufig eine intensivere Anfangsphase und ziehen sich dann zurück und monitoren, insbesondere wenn es gut läuft beim Startup. Es gibt keine grosse Zusammenarbeit zwischen den VCs und den Startups, abgesehen von gemeinsamen strategischen Überlegungen. Und im Vordergrund steht für die privaten VCs der maximale Return on Investment, denn nur wenn der RoI gut ist wird auch das Fundraising für den nächsten Fonds gut laufen.
Das ist anders bei CVCs. Wir benötigen viel mehr Zeit, um mit einem Startup einen Deal auszuhandeln, weil wir in der Regel nicht nur investieren, sondern auch auf verschiedenen Ebenen operativ mit dem Startup arbeiten wollen. Ziel ist ein intensiver Austausch und eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Startup und dem Mutterkonzern des CVC. Der RoI steht nicht so sehr im Vordergrund bzw. der für uns wesentliche RoI ergibt sich auf Ebene des Mutterkonzerns, nicht auf Ebene des CVC. Der Ansatz ist somit anders als bei unseren privaten VC Kollegen.
Ein CVC erhält sehr viel generischen Deal Flow wegen der Sichtbarkeit/Bekanntheit seines Mutterkonzerns am Markt. Gerade in für PMI interessanten Bereichen wissen viele Startups, dass PMI hier auch in Startups investiert. Bei PMI versuchen wir, neben dem inbound dealflow, auch aktiv und hypothesenbasiert unser outbound sourcing zu verstärken, d.h. selbst aktiv nach startups zu suchen. Es gibt einen sehr regen Austausch zwischen meinem Team und den Bereichsleitern unseres Konzerns, um deren Herausforderungen, Anregungen und Probleme zu erkennen und jeweils dazu passende Startups mit Lösungen zu finden. Hier unterscheidet sich PMI von vielen VCs. Private VCs sind in der Regel klar ausgerichtet, z.B. auf das Thema Biotech, sind dann aber innerhalb dieses Themas flexibel. Bei uns ist es quasi umgekehrt, wir haben verschiedene sehr grosse Investmentbereiche für uns definiert, sind aber in diesen Bereichen sehr fokussiert auf der Suche und weniger flexibel.
Dietmar: Abschliessend, was hat dich eigentlich persönlich motiviert aus einer Partner-Position bei einem VC, in den Bereich CVC zu wechseln?
Alexander: Grundsätzlich habe ich nach einer neuen fachlichen Herausforderung gesucht. Als privater VC investiert man in der Regel in seiner eigenen Region. Mich reizte es dann aber, mit Gründern aus anderen Regionen, sprich internationalen Gründern, zusammenzuarbeiten. Hier bietet sich natürlich der Corporate Venture Capital bei einem Konzern wir PMI mit Aktivitäten in 190 Ländern an. Ein weiterer Grund war, dass ich aus den eigenen Strukturen ausbrechen wollte und nicht in eine Selbstgefälligkeit hineingleiten wollte. Der Zeitpunkt für den Wechsel war für mich einfach gekommen.
Dietmar: Lieber Alexander, Danke für diese spannenden Einsichten.
Alexander: Danke auch Dir für die Einladung zu diesem Interview. Natürlich freue ich mich auch darauf, euch im neuen CAS-HSG «Entrepreneurial Excellence» unterstützen zu dürfen und den Teilnehmenden weiter Einblicke in den Bereich VC und CVC zu geben. Mit meinen 14 Jahren Tätigkeit im Venture Capital Bereich – davon war ich 12 Jahre für eine private, in der Schweiz ansässige Venture Capital Gesellschaft täigt und seit zwei Jahren führe ich den Corporate-Venture-Capital-Bereich bei Philip Morris International – habe ich hoffentlich ein paar Einsichten in meinen Fachbereich gewonnen, , die ich sehr gerne an die Studierenden weitergebe. Ich bin mir sicher, dass wir im Rahmen des Kurses interessante Diskussionen miteinander haben werden.
Das Gespräch führte Prof. Dr. Dietmar Grichnik, Direktor Institut für Technologe Management, Universität St.Gallen.
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An Interview with Alexander Stoeckel, Director Venture Capital Philip Morris International (PMI)
Dietmar: Dear Alex, one year after Corona – looking back and looking forward, how did you experience this time from the perspective of a corporate venture capitalist (CVC) concerning the development of startups but also from the perspective of the VC industry?
Alexander: I do not have a robust statistical view on this. But what was to be expected, has happened: Startups that had a fixed development budget and we’re not relying on sales before the pandemic were able to handle the crisis better. The reason is that the budgets from previous investments are often designed for two years. Obviously, these startups nevertheless faced difficulties, e.g. in their supply chain. Startups that were already selling products or services and relied on these revenues to support the working capital in the company got into trouble faster.
It is somewhat similar in the corporate venture capital (CVC) space. CVCs that had a dedicated fund assigned to them were relatively safe. Of course, you must consider how long the crisis lasts and when the fund runs out. CVCs that invested in a more ad hoc manner were more likely to be required to cut back their investment activities in the face of the crisis. This, because the corporate’s management is likely to decide that venture capital is not the central thing for these companies. Although innovation is an important priority, keeping the company afloat and its employees employed is even more important. This is especially true for SMEs, and potentially somewhat different for large corporations, as they have more liquidity reserves and a bit more room to maneuver. Of course, this also depends on what kind of corporation we are talking about and how badly the corporation itself is affected by the crisis.
Dietmar: So, what would you say at what company size does CVC make sense at all?
Alexander: It’s difficult to generalize. In my opinion, every company should keep an eye on the startup scene. The focus should be on technological innovations and improvements in the company’s own business area. Whether a separate CVC department with a dedicated fund volume is created (which is the most advanced solution), or whether, for example, the corporate finance department focuses a bit more on startup investments, or whether startup relations are managed as an innovation task by the management of even smaller companies, or whether, as the smallest solution, one person in the management team deals with this topic, that must be assessed and decided individually by the companies themselves. It does not always have to be a CVC with a dedicated fund. There are also various other possibilities, e.g., to work systematically with incubators, with accelerators, or with universities. The important thing is that in modern and long-term thinking companies, attention must be paid to innovation and new technologies, irrespective of how well the business of the mothership is going in different years. This, to see where there is development potential and new opportunities for one’s own company.
Dietmar: How do you, as Philip Morris International (PMI), approach startups? Is it an advantage as a large corporate or a disadvantage compared to the private VCs?
Alexander: We do not try to compete with the private VCs because we work very differently. In addition, we have different goals that we want to achieve with the startup. Private VCs can take decisions in very short periods, thanks to only a few people with decision-making authority. In portfolio management, they have a more intensive initial phase and then tend to pull back and monitor. There is not much collaboration between VCs and startups because a private VC cannot leverage other business assets (besides expertise) for the benefit of the startup. And the main focus of a private VC is to maximize Return on Investment because only a good RoI will allow the VC to raise the next fund successfully.
This is different with CVCs. CVCs need more time to take investment decisions because most CVCs will also try to figure out what their mothership could potentially bring to the startup and vice versa. This requires an intense exchange and close collaboration between the startup and the CVC. The goal is to set up something together with the startup that will enable both sides to benefit on an ongoing basis. So, the approach is different.
Generally, the CVC gets a lot of generic deal flow because of the visibility of its mothership in the market. Startups know well that PMI likes to invest in startups in certain market categories. PMI today tries to take a more hypothesis-driven approach. There is a lively exchange between my team and the division heads at PMI to identify their challenges, suggestions, and problems and innovation requirements, and to find suitable solutions potentially provided by startups. The CVC team then looks for startups that develop or already market solutions in those areas.
This is where PMI differs from many VCs. A private VC has a clear investment focus, e.g. biotech, and can be relatively flexible within that focus area with regards to the companies he/she invests in. As the CVC of PMI, we have more and sometimes very broad areas of interest, but we tend to be less flexible within those areas because we are looking for companies that have potentially the best fit with whatever challenge we are trying to solve. In other words, we are not looking for companies that “play in this field”, but for companies that are directly related to the challenge we are facing. So far, our hypothesis-driven approach has produced very good results for us.
Dietmar: Finally, what motivated you personally to move from a partner position at a VC to the CVC sector?
Alexander: Basically, I was looking for a new professional challenge. As a private VC, you often invest within your region because you want to be close to your target companies and because that’s where you get most deals from, and where you can provide the best support to portfolio companies. However, I was always attracted to working with founders from other regions, i.e., international founders. This is where corporate venture capital is very different, of course. PMI is active in 190 markets. Another reason was that I wanted to break out of my structures. As a VC, you easily become complacent. For me, the timing was right for the change.
Dietmar: Dear Alexander, thank you for these exciting insights.
Alexander: Thank you, too, for inviting me to this pleasant interview. Of course, I am also looking forward to supporting you in the new CAS-HSG “Entrepreneurial Excellence” and provide the participants with further insights into the field of VC and CVC. With my 14 years in venture capital – 12 of which I was a partner for a private Swiss-based venture capital firm and the last two years I have been leading the corporate venture capital division at Philip Morris International – I have accumulated quite a bit of knowledge that I am very happy to share. I am sure that we will have interesting discussions together during the course.
The interview was conducted by Prof. Dr. Dietmar Grichnik, Director Institute of Technology Management, University of St.Gallen.