Wie kommt es, dass manche Startups bereits vor dem ersten verkauften Produkt, dem ersten User über die Beta- Phase hinaus oder dem ersten Service Client bereits mehrere Millionen Franken wert sind? Während bei anderen neu gegründeten Unternehmen zum gleichen Zeitpunkt fraglich ist, ob ihnen überhaupt bereits ein Wert der über das haptisch Greifbare hinausgeht zuzuschreiben ist? Dieser Unterschied liegt insbesondere in der Zukunftsprognose beider Startups begründet; angereichert durch das startup-interne Mass an Innovation und das Potentialreichtum von entwickelten Technologien. Während das eine Venture eine hochinnovative Lösung basierend auf GPS- und Mobilfunkdaten zur Vorhersage von Kundenströmen in der Innenstadt entwickelt hat, welche sich typischerweise als skalierbar über die Landesgrenzen hinaus erweist, baut das weniger hoch bewertete Startup vielleicht auf einem traditionellen, wenig innovativem Geschäftsmodell in einem hochkompetitiven Markt auf.
Doch auch jenseits dieser recht trivialen Unterscheidungsdimension zwischen den «innovativen, High-Tech Ventures» mit einer aus den Populärmedien bekannten «Rockstar»-Bewertung und den «traditionellen Ventures», die zwar neu gegründet sind, deren zukünftiger Marktwert sich jedoch nicht aus einer disruptiven Innovation ergeben wird, bestehen zwischen Ventures im Bereich der Unternehmensbewertung oftmals gravierende Unterschiede. Und dies sowohl innerhalb einer spezifischen Branche als auch im Branchenvergleich.
Wissenschaftler sind diesem Phänomen nun auf den Grund gegangen. Ein Team von Forschern der französischen Chambery Business School untersuchte die Ergebnisse von 184 Finanzierungsrunden aus der Early Stage-Phase von 102 einzelnen Startups,(hier kein Komma) mit einem speziellen Fokus auf Venture Capital- Investments. Im Bereich von Venture Capital-Deal Negotiations und Closings können zum Approximieren des Unternehmenswerts des Startups verschiedene Verfahren zum Einsatz kommen (wie wir bereits in einem früheren Blog Artikel unter dem Titel «How much is my business?» beschrieben haben). Während sich der Unternehmenswert in der klassischen Corporate Finance Theorie als «present value of future cash flows» (Brealey, Myers, & Allen, 2007) berechnet, ist eine Prognose dieser zukünftigen Geldströme unter den von Unsicherheit geprägten Rahmenbedingungen in der Startup-Welt oftmals herausfordernd. Methoden zur Bewertung von Startups wie zum Beispiel die VC- Methode erkennen diese Komplexität in ihrer Ausgestaltung an.
Auf dieser Herangehensweise aufbauend, untersuchte das Team der Chambery Business School die empirischen Ergebnisse der Startup Bewertung nun aus gespiegelter Perspektive: anstelle einer ausschliesslichen Betrachtung von Prognosen und einer theoretischen Ableitung des New Venture Value, untersuchten sie, welchen Einfluss im Kontext von Venture Capital- Investments bereits bestehende Input-Faktoren auf das effektive Outcome der Unternehmensbewertung haben. Insbesondere konnten Eigenschaften des Gründers als signifikante Stellschrauben des Unternehmenswerts identifiziert werden. Hatte der Haupt-Gründer vor dem aktuellen Startup bereits Erfahrung in einem anderen gründungsgeprägten Kontext sammeln können, hat dies positive Auswirkungen auf den Unternehmenswert. Gleiches konnte für eine vorherige Tätigkeit in der gleichen Industrie sowie einer Position im Top Management oder Advisory Board eines anderen Unternehmens identifiziert werden. Neben dem Gründer selbst, konnten weitere strukturelle Aspekte als wichtige Stellhebel identifiziert werden. Startups, die von einem Team anstelle eines Solopreneurs gegründet wurden, wiesen einen im Schnitt signifikant höheren Company Value auf. Ein höheres Mass an Produktdifferenzierung, in Anlehnung an unser initiales Beispiel, führt ebenfalls zu einer besseren Bewertung. Einen gleichfalls günstigen Einfluss hat die Wachstumsrate des anvisierten Zielmarkts.
Verknüpft man die Erkenntnisse dieser Studie mit den Ansätzen der praktischen Unternehmensbewertung, stellen wir fest: (kann als Take Home-Message festgehalten werden): Die effektive Bewertung eines Startups durch einen externen Investor beruht zum einen auf der ganz pragmatischen Zukunftsprognose. Gleichzeitig wird dieser Wert jedoch von bereits bestehenden Input-Faktoren beeinflusst, wie die angeführte Studie von Miloud, Aspelung und Cabrol von der Chambery Business School belegt.